Monotheismus
Unsere westliche Art, uns selbst zu begreifen, unser Schicksal und unseren Stand in der Welt, ist geprägt von der Weltanschauung, die uns seit 2000 Jahren begleitet hat – tiefer geprägt, als uns oft bewusst ist.
Schichten
Das Christentum, denn darum handelt es sich natürlich, ist eine Religion aus vielen Schichten, die sich in all den Jahrhunderten angesammelt und übereinandergeschoben haben. Das Steintraining basiert auf der tiefsten davon.
Sie hat nichts zu tun mit Kirche, mit dem Jenseits, ja, nicht einmal mit Jesus Christus. Vor allem nichts mit Sünde und Höllenstrafe. Diese tiefste Schicht ist die Lehre von dem einen, einzigen Gott, etwa gleichzeitig mit denen des Buddha, des Konfuzius und den anderen Denkern der Achsenzeit (siehe auch dieses Skript).
Jahwe und Elohim
Vor dieser Entwicklung wird im Alten Testament Jahwe zwar als der für die Juden einzig zulässige Gott beschrieben, aber keineswegs als der einzig reale. Er ist zwar mächtig, zum Beispiel wenn er sich gegen die Götter Ägyptens durchsetzt, aber eben dies zeigt ja, dass die anderen Götter durchaus existieren.
In der Schöpfungsgeschichte, so wie sie im Alten Testament geschildert wird, wird sogar nicht nur ein einzelner Gott tätig, sondern die elohim, ein gemeinsamer Rat von Gottheiten. Aber diese Erzählung hat von ihrem spirituellen Kern her immer eine positive Wirkung ausgeübt, die auch für das Steintraining von Bedeutung ist.
Die guten Dinge
In seiner ersten Zeit stand das Christentum in einer erbitterten Auseinandersetzung mit der sogenannten Gnosis. Diese Religion oder Philosophie sah diese Welt als durch und durch schlecht an, als das minderwertiges Produkt einer stümperhaften Gottheit an. Dagegen bestanden die frühen Kirchenlehrer darauf, dass diese Welt mit allen Dingen in ihr, grundsätzlich gut sei. Ambrosius von Mailand beginnt seinen berühmten Morgenhymnus mit der Anrede conditor rerum ommnium, Schöpfer aller Dinge.
Darin spiegelt sich die Überzeugung, dass sich in den konkreten Dingen um uns herum ein Widerschein der tiefsten spirituellen Realität findet, eine Überzeugung, die letztlich auch die des Steintrainings ist.
Hiob
Diese Überzeugung hat tiefe Wurzeln in der Erfindung des einen Gottes, von der ich gesprochen habe. Nach 2000 Jahren der Gewöhnung an diese Idee ist es sehr schwer, ihre ursprüngliche existenzielle Wucht zu begreifen. Und deshalb wird auch immer noch gerätselt über das eine Buch des Alten Testaments, das diese Wucht vermittelt – das Buch Hiob.
Dieser Text ist es wert, dass man sich intensiv damit beschäftigt, hier kann ich nur die Pointe erzählen: Hiob, einem Menschen, der im Leben eine vorbildliche Rolle spielte, gerecht, einem Beschützer der Armen und Waisen, einem, der Hungrigen Nahrung und Frierenden Kleidung gab, wird alles genommen, auch seine Gesundheit. Alles, woraus er seinen Stolz, seine Identität, seine Zuversicht in die Welt, gezogen hatte, die Achse seiner Persönlichkeit, war zerstört.
Sterne und Strauße
Hiob will von Gott wissen, warum und Gott gibt eine Antwort, die keine Antwort ist. Er erzählt Hiob aus der Welt, den Sternen, dem Meer, der Straußin, die sich nicht um ihre Nachkommenschaft kümmert und der Adlerin, die sich vom Blut der Schlacht nährt.
Im Zusammenhang und im Aufbau seiner Rede ist ihre Pointe klar, wenn man einmal weiß, wonach man suchen muss: Die Welt ist nicht gebaut, um dem Leben des Menschen einen Sinn zu verleihen. Wer er seine Identität, die Achse seiner Selbst darauf baut, dass er in dieser Welt eine sinnvolle Rolle spielt, baut auf einer Illusion auf.
Hiob, als ein ungewöhnlich starker Mensch, erkennt dies und zieht in einem Flash die Konsequenz, findet seine neue Achse in Gott, wie er ihn jetzt erkannt hat, der Essenz einer Welt, die einfach ist, wie sie ist.
Der Westen
Wie auch immer Vorstellungen des Jenseits unseren Kulturkreis beeinflusst haben, die Grundidee des Menschen, der alleine Gott und damit auch der Welt gegenübersteht, haben den Individualismus geprägt, der uns von anderen Kulturkreisen unterscheidet.
Das Steintraining ist in diese Tradition eingebettet. Wenn ich es manchmal nicht ganz ernsthaft den Zen des Westens nenne, hat das durchaus seine tiefere Berechtigung.