Die erste Stufe

 

Weg_des_SteinsSie gehen durch die Türe, die ihnen der Stein geöffnet hat. Der Platz, auf dem sie ankommen, ist wie eine kleine Insel in einem großen Strom.

Die Insel

Der Fluss, das ist ihr gewohntes Leben, das weiterhin seinen Lauf nimmt und in dem sie weiterhin dahinschwimmen. Die Insel, auf der sie stehen und ihre neue Achse fühlen können, das ist der Ruhepunkt, den sie mit dem Stein erfahren, eine Auszeit von der Welt von Sollen und Müssen, Fürchten und Wollen.

Dieser Ruhepunkt allein kann schon eine große Hilfe sein. Immer wieder gibt es in meinen Kursen Teilnehmer, die unter hoher Belastung funktionieren müssen und für die der Stein eine Art Freund geworden ist, eine Quelle der Entlastung, die sie immer wieder aktivieren können.

Die erste Stufe des Steintrainings besteht darin, dieses Erlebnis auszubauen. Sie werden lernen, von der Insel zu steigen und mitten in der Strömung des Alltags immer wieder ihre Achse zu finden, den festen Boden des Flussbetts zu erspüren, in der Welt der konkreten Dinge um sie herum.

Verkabelt und verklammert

In ihrem normalen und tätigen Leben nehmen sie die Dinge nie wahr, wie sie sind, sondern immer verkabelt und verklammert in den Zusammenhang ihrer Rolle im Leben. Der Philosoph Heidegger hat das so formuliert: Wir sehen die Dinge als Zeug (wie Schreib-Zeug oder Flug-Zeug), als Dinge zu einem Zweck, für uns ist alles Um zu: Die Tasse ist da, um damit Kaffee zu trinken, die Straße, um damit dort und dort hin zu kommen und so weiter.

In Wahrheit schleppen sie bei ihrem Blick auf die Dinge noch viel mehr herum: Die Tasse ist eine Tasse und kein Teller. Sie ist meine Lieblingstasse, ich habe sie da und da gekauft, weil mir meine vorige Lieblingstasse, die mit dem Vogel, damals bei der Weihnachtsfeier … und so weiter und so fort.

Diese ganze Verkabelung und Verklammerung hängt tatsächlich die ganze Zeit an der Tasse, wenn sie sie benutzen, ist irgendwo in ihrem Geist mit anwesend. Und so ist es mit allen Einzelheiten ihrer Umwelt. Und all diese Kabeln und Klammern, die sie mit sich herumtragen, sind eine ziemliche Last.

Die Last fällt ab

Sie spüren das Gewicht dieser Last erst, wenn sie von ihnen abfällt. Das erleben sie manchmal in der Natur, im Wald oder im Hochgebirge, wenn die Felswände ringsherum ihnen sagen: Sieh her, wir haben nichts zu tun mit deinen Vorstellungen, wir sind einfach da und du bist einfach da. Eben dieses Erlebnis haben sie zu Beginn des Trainings mit ihrem Stein erlernt und nachvollziehbar gemacht.

Es ist dieses Erlebnis, das sie in der ersten Stufe des Steintrainings ausweiten und in den Griff bekommen. Es ist die Tasse in ihrer Hand, das Straßenpflaster unter ihren Füßen und die Erde darunter, immer mehr davon befreien sie in ihrem Geist von dem Gewicht der Kabel und Klammern, immer mehr davon können sie wahrnehmen mit der Direktheit und Leichtigkeit des Einfach So, immer mehr und immer öfter können sie sich von der Last befreien, sich aufrichten und ihre Achse finden.

Der aufrechte Gang

Die Entlastung, wenn sie immer wieder in diese andere Sicht der Welt wechseln können, unterstützt sie auch in ihrem täglichen, tätigen Leben, wenn auch ihr Planen und Handeln davon zunächst unberührt bleibt. Was sich aber ändert, ist ihr Bild von sich selbst.

In dem Maße, in dem sie die Dinge um sie herum freigeben, werden sie auch selbst frei. Sie verstehen, dass ihr Recht, auf der Welt zu sein, nicht abhängig ist davon, wie gut sie ihre Rolle erfüllen. So, wie das Pflaster unter ihren Füßen einfach so da sein darf, dürfen auch sie selbst einfach so in der Welt stehen. Ohne die Frage, wie gut oder schlecht sie sind, wie wertvoll oder wertlos. Aufrecht, ihn ihrer Achse. Einfach So.