Feb 142012
 

Es gibt eine alte skandinavische Schelmengeschichte, die vermutlich auch in anderen Kulturen vorkommt. Sie erzählt von einem Bettler, der an einem Bauernhof vorbeikommt und die Magd dort um einen Topf mit kochendem Wasser bittet. Mehr brauche er nicht. In seinem Sack sein nämlich ein Stein, den man nur auskochen müsste, um eine wunderbare Suppe zu bekommen.

Die Magd ist natürlich neugierig und stellt den Kessel aufs Feuer. Der Mann holt ein Bündel aus seinem Sack, wickelt es vorsichtig aus. Tatsächlich, ein Stein. Der Bettler lässt ihn behutsam ins Wasser gleiten.

Nur noch ein paar Gewürze

Nach einiger Zeit probiert er die Flüssigkeit und strahlt: Fast perfekt! Vielleicht noch eine kleine Prise Salz, wenn die Magd so nett wäre? Da kann sie natürlich auch nicht Nein sagen. Hervorragend! Nach einigen Minuten werden zur Abrundung noch ein paar Karotten zugegeben und das Ende der Geschichte ist leicht abzusehen: Irgend wann einmal wird als allerletzte Zutat noch eine Kalbshaxe mitgekocht. Zuletzt hebt der Bettler den Stein heraus, wickelt ihn sorgsam ein und verwahrt ihn wieder in seinem Sack. Sie teilen die Suppe und die Magd meint: Sie hätte nicht gedacht, dass ein Stein eine so gute Suppe ergibt.

Der Stein des Glaubens

Christen haben im Zentrum ihrer Weltanschauung den Glauben an Gott, an Jesus Christus und irgendwo wohl auch an den Heiligen Geist. Viele davon sind gute Menschen, sozial engagiert usw. Und sie gehen davon aus, dass diese ihre Einstellung aus ihrem Glauben kommt. Nur, wir analysieren diesen Glauben im Zentrum nicht wirklich. Das Einzige, was man üblicherweise sieht, ist das Ganze, die ganze Suppe. Und aus der Qualität dieses Ganzen schließt man auf die Qualität des Kerns, des Steines auf dem Boden des Kessels.

Vielleicht stimmts ja

Natürlich erhebt sich hier die Frage, ob die Güte der Suppe, die ja wirklich manchmal hervorragend ist (ich meine das ernst), nicht eher von den Zutaten kommt, die der Einzelne beisteuert. Wichtig wäre es, den Stein selbst einmal zu isolieren, von den normalen Zutaten zu befreien … und dann zu kochen. Wie würde das Ergebnis schmecken?

Der nächste Post trägt in etwa den Titel „Atheismus“. Vielleicht kann ich bis dahin den Brief veröffentlichen, den ich bereits einmal erwähnt habe. Wenn Sie bei seinem Erscheinen benachrichtigt werden wollen, dann holen Sie sich in der rechten Spalte den RSS-Feed oder abonnieren Sie den Newsletter.

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  6 Responses to “Die Steinsuppe”

  1. Möglicherweise führt eine Analyse des Steins am Ziel vorbei und es stellt sich heras, daß es tatsächlich nur ein hundsgewöhnlicher Stein ist.
    Vielleicht sollte man eher die Funktion des Steines näher betrachten. Denn auch wenn der Stein an sich nichts vermag, so vermag sein rechter Gebrauch doch eine tolle Suppe entstehen zu lassen, wo vorher keine war. Und die Gemeinschaft zweier Menschen, die gemeinsam die Suppe löffeln.
    Ohne Stein wär nicht eins zum Andern gekommen. Der Stein war der Katalysator.

  2. Aus dieser Geschichte wurde ein Kinderbuch gemacht, das ich sehr schätze und das auch bei Kindern sehr beliebt ist. Die Originalgeschichte kommt, wenn mich nicht alles täuscht, aus Frankreich, und wenn man diese Geschichte mit Ihre Gedanken kombiniert, bekommt das Ganze einen völlig anderen Dreh.
    In der Kinderbuchgeschichte(die ich in erzählter Form schon seit meiner eigenen Kindheit kenne) kommt ein Wolf zu einer Gans mit dem besagten Stein. Die Gans lässt ihn trotz großen Misstrauens herein. Da aber die anderen Tiere das Ganze mitbekommen haben, besuchen sie alle die Gans, um sie im Notfall zu schützen, bringen alle eine Zutat mit, und so entsteht eine gute Suppe, alle genießen das Beisammensein, aber irgendwann nimmt der Wolf seinen Stein, und zieht(enttäuscht?) weiter.
    Der Überbringer des Christentums wäre somit ein Wolf, dessen Absichten unklar sind, und nur die Präsenz der Anderen macht das Ganze letztendlich zu einer ungefährlichen und für alle positiven Sache. Ich denke also schon, dass man auch die französische Geschichte im Hinblick auf das Christentum interpretieren kann: Ohne den abmildernden und verändernden Einfluss der durch viele verschiedene Protagonisten herbeigebrachten Zutaten und Gewürze würde nicht nur keine gute Suppe entstehen, sondern die Gans hätte es wahrscheinlich nicht überlebt….
    Und der Stein wird am Ende wieder aus der Suppe entfernt, was der Qualität der entstandenen Suppe keinen Abbruch tut.

    • Ich muss gestehen, dass mir die Geschichte in dieser Version ein bisschen zu pädagogisch ist (von wegen alle zusammenhelfen und einander beschützen und so). Der Bettler, der sich eine gute Suppe in den leeren Magen trickst, gefällt mir da besser … 

  3. ….mir fällt gerade ein, dass es eine Henne und keine Gans war. Das Kinderbuch ist von Anais Vaugelade, und noch im Handel.
    Und vielen Dank für das Angebot! Ich werde es gerne annehmen.

  4. Ja, ich wollte auch mich hier in der Diskussion längst schon beteiligt haben. Und tu es jetzt mal bei diesem Beitrag. Denn heute Nachmittag habe ich in einem Kommentar in meinem Blog schon mal empfehlend drauf hingewiesen. (Ich muss auch noch lernen, wie das mit Trackbacks funktioniert).
    Ich wollte mal grundsätzlich hier auch quasi öffentlich sagen: Ich finde alle Ihre Beiträge spannend und bedenkenswert, wenn ich auch nicht alles unterschreiben würde – ich bin in einigen Punkten vorsichtiger, zurückhaltender. Und was vielleicht der größte Unterschied ist: Ich will die alten Dogmen nicht stabilisieren , nicht inhaltlich verteidigen – höchstens plausibel machen, was möglicherweise an Versuch zur Lebensbewältigung drin steckt. Habe ich das als Gegensatz richtig verstanden? Ich denke auch manchmal: Sie diktieren den Theologen Aufgaben zu, die so vielleicht doch nicht erfüllt werden sollten – und beklagen dann, dass die Theologen sich drum drücken. Aber ist ein bisschen zu leicht, wenn ich jetzt betone, dass alles viel schwieriger, diffiziler sei.
    Zum aktuellen Thema: Gott und der Stein. Die Idee des Bundesbedenkenträgers mit dem Katalysator, die würde ich auch unterstützen. Und so wie das Ich gegenüber den  Hirnfunktionen sich nicht isolieren lässt und sich keine eigene Existenz des Ichs nachweisen lässt (und man muss trotzdem „ich“ sagen können)… — so wird es auch bei dem Stein und Gott sein: Was kann man da isolieren? Und trotzdem ist der Begriff sinnvoll – wenn man nicht andauernd einem Existenznachweis nachjagt sondern den Begriff als durchaus menschlichen Begriff ernstnimmt, in  dem man personal reflektiert über  Erfahrnisse, Widerfahrnisse, Wünsche, Träume, Hoffnungen… – Gott als Person darin oder dahinter sieht. (Man muss dann auch unterscheiden zwischen Gott und Abgott!). 
    Ja, ich bin aber etwas aufgefressen von der Sache in meinem Blog – artet ja in Arbeit aus. Ihre Power und Ihren Output und Ihre Art, Dinge kurz und knackig auf den Nenner zu bringen… möchte ich haben.
    Aber zum Schluss noch technisch fragen: Wie ist das dennn mit der Typengröße in dem kleinen Kasten. Lässt sich da was machen?  Und die HTML-Codes müsste ich auch mal genauer ansehen – kenne bisher nur die, die man bei uns drüben in SciLogs verwenden darf. Ja, und vor etwa drei Stunden hat’s einen ersten Versuch eines Kommentars nicht akzeptiert. What’s on?
     

  5. Lieber Herr Aichele (netmäßig müsste es ja @aichele heißen, aber bei Neubegrüßungen mache ich das manchmal anders) Erst mal vielen Dank für Ihre herzlichen Worte! Bei der Arbeit an einem Blog kann man sie hin und wieder sehr gut brauchen.

    Zu Ihren Punkten: Ich werde hier im über-übernächsten Beitrag mit einem „Basisdiskurs Religion“ beginnen. Vielleicht wird dann vieles klarer werden und wir können unsere Diskussion auf einer höheren Ebene weiter führen.

    Ich weiß nicht, was mit Ihrem Kommentar passiert ist. Ich habe ihn stellvertretend für Sie eingesetzt und es hat alles klaglos funktioniert. Bitte teilen Sie es mir mit, wenn so etwas noch einmal geschieht. Zu der Schriftgröße bei der Kommentareingabe: Das ist eine Spezialität dieser Variante, bei der man  Schriften markieren und formatieren kann (Buttons links oben). Die Schrift ist sehr klein, aber ich habe sie erst mal so gelassen, bis sich jemand beschwert. Persönlich finde ich sie angenehm, weil ich dann mehr von meinem Text in diesem Winzfenster von Kommentareingabe sehe. Aber ich nehme Ihre Beschwerde zum Anlass, sie ein wenig zu vergrößern, ich weiß nur nicht, wann ich dazu komme. In der Zwischenzeit können sich Kommentatoren einfach die ganze Seite vergrößern (mit Ctrl und +).

    Nochmals danke und alles Gute für Ihren Blog!

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