Jul 312012
 

Lange Zeit habe ich hier nicht mehr gepostet. Grund ist eine massive persönliche Krise, die noch nicht vorbei ist, die mir aber einige Einblicke geliefert hat. Einblicke unter anderem auch in das, was ich hier tue. Und die Erkenntnis, dass ich daran etwas ändern muss.

Vierzig Jahre

Vor so langer Zeit habe ich mit dem begonnen, was ich wohl als mein Lebenswerk bezeichnen könnte. Ich war dabei, aus der (katholischen) Kirche auszutreten. Für mich als (damals) in der Wolle gefärbten Katholiken hieß das gleichzeitig: Den Glauben aufgeben. Ich hatte damals kein großes Problem mit dieser Vorstellung, nur wollte ich mir zuvor genau ansehen, was ich denn eigentlich aufgebe. Mein eigenes Wissen um die Fundamente meiner Konfession war eher durchschnittlich und lückenhaft.

Und so begann ich, die großen Theologen zu lesen, von den Kirchenvätern bis hin zu Barth und Rahner. Das Endergebnis war für mich: Das kann es nicht gewesen sein. Dieser geistige Zickzack, diese Großsprecherei überall dort, wo die Sache im Vagen blieb und dieses bescheidene Klein-Klein überall dort, wo Butter an die Fische verlangt war, untermischt mit frei schwebenden Behauptungen über nicht definierte Sachverhalte: So sah keine Idee aus, die ihre zweitausend Jahre überlebt hatte unter teilweise widrigsten Bedingungen.

Und so begann ich, selbst zu denken.

Dunkle Pfade, Herz der Sonne

Es war ein Weg durch tiefe, dunkle Schluchten und ich ging ihn allein. Als Jugendlicher hatte ich davon geträumt, Dinge zu denken und zu sagen, die noch niemand vor mir gedacht und gesagt hatte. Gar niemand, von Anbeginn an, niemand unter den Milliarden von Menschen auf der Erde. Wenn man dies über Jahrzehnte wirklich tut, ist es eine schwere Erfahrung. Und daran hat sich nichts geändert.

Denn ich habe das Ziel erreicht. Ich bin bis ins Herz der Sonne gelangt, in das eigentliche Zentrum dieses Glaubens. Ich habe immer wieder Stücke davon mitgebracht, meine Sicht auf die Welt und auch mein eigenes Leben hat sich dadurch radikal verändert. Und ich habe Bücher geschrieben, in denen ich versucht habe, anderen Menschen das Wesen dieses Zentrums zu erklären in der selbstverständlichen Zuversicht, dass sie diese klare Erkenntnis genau so ergreifen würde wie mich selbst, wenn sie es einmal begriffen hätten, wenn ich es ihnen einmal richtig erklärt hätte.

Welch ein Irrtum. Nichts interessiert sie weniger. In klaren Zahlen wurde mir das wieder einmal vor Augen geführt, als ich vor einigen Tagen die Abrechnung bekam für die Verkaufszahlen meines letzten und besten Buches: Fünf Exemplare in einem Vierteljahr.

Tja

Also: Schluss mit der Manie, mich verständlich zu machen. Schluss mit der Suche nach allgemein interessanten Themen, mit denen ich die Aufmerksamkeit meiner Zeitgenossen fangen könnte, um vielleicht einige von ihnen tiefer zu führen, zum Herz der Sonne. Schluss mit Suche nach der catch phrase, nach dem elevator pitch. Die allermeisten Menschen wollen in einer festgelegten Gruppe und Weltanschauung leben, sich nach außen mit anderen Gruppen prügeln und nach innen in ihrer Anschauung bestärken. Gefragt sind Aufreger, an denen man dieses Ritual aufhängen kann, Themen wie „Muslime in Deutschland“ und „Beschneidungen“. Da geht die Post ab.

Und diese Post interessiert mich nicht. Null. Also: Schluss mit dem Versuch, da mithalten zu wollen.

Wie geht’s weiter?

Ich werde weiter meinen Blog betreiben. Aber ich werde dabei mehr auf mich selbst hören. Er wird persönlicher werden, was nicht unbedingt heißt, dass er schlechter wird. Er wird wahrscheinlich auch direkter und härter werden. Und er wird vermutlich „spiritueller“ werden.

Ich werde dazwischen auch Themen bringen, die mit der Hauptrichtung nichts zu tun haben (ich freue mich schon auf das demnächst vorgestellte „Museum der verschwundenen Geräusche“). Meine wenigen Leser, von denen ich übrigens viel halte, werde ich dadurch hoffentlich nicht verlieren. Ich bitte sie, mir zu helfen und mir zu sagen, was ihnen gefällt und was weniger.

Noch einmal an die, die mich weiterhin begleiten: Danke! Ich wünsche allen eine gute Woche.

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  5 Responses to “Das Herz der Sonne (Ein Neuanfang)”

  1. Wer die Sicherheit vorkonfektionierter Überzeugungen verlässt und sich auf selbständiges Denken einlässt, dem bleiben Krisen nicht erspart. Weitere tröstliche Allgemeinplätze zum Thema „Krisen“ werde ich Ihnen ersparen. Ich wünsche Ihnen jedenfalls, eine guten Neuanfang. Sie haben das Problem ja schon richtig erkannt, nämlich die „Manie, sich verständlich machen zu wollen“. Wir können von unseren Erfahrungen und Gedanken nur aufrichtig erzählen. Ob Andere dann davon angesprochen werden, liegt nicht in unserer Macht. Ich bin erst vor wenigen Tagen auf Ihren Blog gestoßen. Ihr Basisdiskurs hat mir viele gute Denkanstöße geliefert. Vor allem die bildhaften Vergleiche, wenngleich von anderen Kommentatoren kritisiert, fand ich sehr treffend (Gottesglauben als Frisbeescheibe – einfach umwerfend!). Machen Sie weiter so. Vor allem die Fortsetzung des Basisdikurses erwarte ich mit großer Neugierde.

  2. Herr Djebe, nach dem langen Warten auf Ihren nächsten Post, sind diese unerwarteten Worte ein kleiner Schock, den ich erst einmal verdauen muss. Ihr Buch hat mir nämlich sehr wohl etwas gegeben. Und mit diesem Blog zusammen sind es sogar mehrere Teile, die bei mir in einem großen Puzzle ihren angestammten Platz gefunden haben.

    • Lieber Herr Hindemith,
      aus den angedeuteten Gründen sind meine Antworten im Moment eher spärlich. Das bedeutet aber nicht, dass ich Ihren Kommentar nicht gesehen oder mich nicht sehr darüber gefreut hätte.
      Ein solcher Feedback ist, gerade jetzt, sehr wertvoll für mich. Vielen Dank!

  3. Zu denken, was sonst keiner denkt unter Milliarden Menschen wird wohl zwangsläufig einsam machen.
    Hab ich auch gemacht und kann den Effekt bestätigen.
    Kleiner Unterschied: Ich hab Ihr Buch gelesen, Sie meines, soweit ich weiß, nicht :-))
    Verkauft sich übrigens auch überhaupt nicht mehr.

    Vor Jahren las ich einen Bericht über einen Mann, der mehr oder weniger in seiner Küche ein Mittel zum Binden von Öl bei Tankerunglücken erfunden hat. Er fand das natürlich total wichtig und hat versucht, es zu kommunizieren, und hat sich beim Lauf durch die Instanzen aufgerieben. Ich habe das damals gelesen und beschlossen, es bei mir seelisch nicht so weit kommen zu lassen. Jahrzehnte später hakte die Zeitung nach und fand einen glücklichen Menschen – er war dement geworden und hatte alles vergessen.
    Warten wir – ohne zu resigieren – mit dem Seelenfrieden besser nicht bis das Hirn aussetzt!

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