Jan 242014
 

Der letzte Post hat sich mit dem Ego-Punkt beschäftigt, dem ersten, obersten Punkt des Symbolons. Das könnte nach der üblichen frei erfundenen Ratgeberliteratur klingen, denn so ohne Weiteres ist dieser Ausgangspunkt nicht aus der christlichen Lehre abzulesen. Deshalb hier noch ein neuer Anlauf, der diesen Gedanken aus der Tradition und der Bibel entwickelt.

Taufgelöbnis

Umittelbar vor der Taufe, vor der Aufnahme eines Menschen in die Gemeinschaft der Gläubigen, wird der Täufling nach seinem Glauben gefragt, drei feierliche Fragen, die beginnen mit: „Glaubst du an Gott?“ Aber davor muss er drei andere, ebenso feierliche Fragen beantworten. Diese lauten, in der alten, mächtigen Formulierung:

Widersagst du dem Satan?

Und all seinen Werken?

Und all seinem Gepränge?

Das heißt, dass dieses Christ-Werden eine Bewegung darstellt, weg von einem schlechten Ausgangspunkt hin zum Glauben, zu einem besseren Leben. Was dieser Glaube ist oder sein soll, darüber gibt es riesige Bibliotheken voll, die alles bis ins Kleinste erklären. Wie aber der Ausgangspunkt davor genau aussieht, Satan mit seinen Werken und seinem Gepränge (schönes altes Wort), darüber fließen die Informationen ziemlich spärlich. Wenn ich aber diese drei Formeln untersuche und mit einigen Stichworten aus dem Neuen Testament verknüpfe, lässt sich doch einiges dazu sagen.

Gepränge

„Satan“, das ist bestimmt ein schwieriges Wort. Viele Menschen aus einem traditionellen christlichen Umfeld verbinden damit an Wahnvorstellung grenzende Ängste von dunklen Mächten, die einen ins ewige Verderben ziehen wollen. Das ist oft so schlimm, dass viele Seelsorger diesen Ausdruck ganz vermeiden. Wenn ich an dieser Vorstellung etwas auszusetzen hätte, dann wäre es das Wort „dunkel“. Es suggeriert irgendetwas verborgen Schleichendes, das nachts durchs Fenster kriecht oder das plötzlich aus der Kanalisation heraus zuschlägt und seine Beute hinab ins Dunkle zieht.

Aber „Gepränge“ sagt etwas ganz anderes, da stecken Bilder drin von prächtigen Paraden, von chromglänzenden Straßenkreuzern und glitzernden Wolkenkratzern. Es scheint, als ob Satan in dieser Welt gar keinen Bedarf hätte an dunkel verborgenen Taktiken, als ob er vor aller Augen unter schmetternden Siegesfanfaren über diesem Globus thronte. Das erinnert an das authetische Jesuswort in den Evangelien: „Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz“ (Lk 10,18).

Satan

Eine Mehrheit unter den Forschern ist der Meinung, dass damit eine Art Vision Jesu geschildert ist, eine Vision, die dann seine Predigt vom Himmelreich auslöste. Das kommende Reich Gottes war die Erfüllung dieses Sturzes Satans, die Antithese zu den vorigen Zuständen, bei denen Satan noch im Himmel saß. Dieser Gegensatz zwischen der Herrschaft Satans (alt/schlecht) zu der Königsherrschaft Gottes (neu/gut) kommt klar zum Vorschein am Anfang der Feldrede bei Lukas: „Selig seid ihr Armen, denn euch gehört das Himmelreich. Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen … Aber weh euch Reichen, denn ihr habt eure Belohnung schon empfangen. Weh euch Satten, denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht, denn ihr werdet weinen und klagen.“ (Lk 6, 20f,24f)

Satan unterdrückt die Armen, Hungernden und Weinenden und belohnt die Reichen, Satten und Lachenden. Das ist konkret zu verstehen: Das, was hier reich und dort arm, hier satt und dort hungrig macht, das ist Satan, das ist seine Herrschaft. Und ebenso wenig wie heute heißt das, dass er, als umgekehrtes Heinzelmännchen, nachts den Armen im Schlaf ihre letzten Groschen aus der Tasche und das letzte Brot aus dem Kasten holte und gegen Morgen um das Bett des Reichen gruppierte. Auch heute verdienen viele Leute ihren Reichtum im Schlaf, aber das ist der Kapitalismus, das ist heute das, was die Kluft zwischen den Einkommen ständig verdient, das ist ein Teil von Satan, wie er heute herrscht, ein Teil seiner Werke und seines Gepränges.

Ich widersage

Was kann es bedeuten, wenn der Taufkandidat diesem Satan „widersagt“? Die nächstliegende Interpretation wäre die, dass er diesen Werken den Kampf ansagt, dass er gegen die ungerechten Strukturen in der Welt angehen will. Er wird sich darum sicher nicht drücken können, aber das ist nicht der erste Sinn seines Versprechens. Das wird sichtbar, wenn ich mir die Gegenposition ansehe, den Glauben. Es ist der Glaube an den allmächtigen Vater, an Jesus Christus und den Heiligen Geist, der den geistigen Inhalt der Taufe vollendet, seine Bewegung weg von den Werken Satans und seinem Gepränge hin zum diesem Ziel (und eben diese Bewegung wird in meinem Symbolon systematisch formuliert).

Die Absage an Satan erscheint also, ebenso wie die Annahme des Glaubens, als ein innerer Akt, eine Veränderung der eigenen Einstellung, der eigenen Seele, wenn man so will. Was ist es aber, das ich aus meinem Inneren tilge, wenn ich mich von seinen Werken und seinem Gepränge lossage?

Das große Geflecht

Um das zu verstehen, muss ich zuerst den Irrtum ablegen, dass ich diesen Werken als freier, autonomer Mensch gegenüber stehe, der aus seiner freien, autonomen Entscheidung heraus entweder mitmacht oder eben, z.B. nach seiner Taufe, nicht mehr. Meine Unterwerfung unter die Mechanismen dieser Welt gründet nicht nur auf meine Furcht vor Bestrafung (durch Armut) oder meine Gier auf Belohnung (genug Geld auf dem Konto, wobei da eigentlich nie genug darauf ist).

Furcht und Gier sind die inneren Antworten auf Zuckerbrot und Peitsche, mit denen wir dirigiert werden; Belohnung und Bestrafung dringt auf diese Art in unser Inneres ein, setzt sich in unserem Geist fort und gewinnt Macht über uns. Wir antworten darauf und schreiben diese Muster fort: Jesus gibt in der Bergpredigt die Beispiele des Leihens nur dort, wo wir wieder etwas zurückbekommen, des guten Verhaltens nur gegenüber unseren Freunden und so weiter. Das große Geflecht, das die Welt auf ihrem Kurs unter dem Himmel Satans hält, zieht mitten durch unser Inneres und hat große Teile davon besetzt (und das ist noch optimistisch gesagt).

Erkenntnis

Widersagen heißt, hier die Gegenposition überhaupt erst einmal zu finden. Satan verschwindet nicht, seine Werke und sein Gepränge werden weiter bestehen, solange diese Welt besteht; deshalb wird ja auch das Gegenbild, das Reich Gottes, in die Zukunft projiziert. Aber es gibt immer diesen ersten Schritt, für mich selbst zu widersagen. Nicht deshalb, weil dies die Macht Satans erschüttert, vielleicht tut es das, vielleicht nicht. Sondern weil ich selbst frei werden will oder besser, weil ich Ich werden will anstatt eine Ansammlung eingeimpfter und sich dann selbst fortpflanzender Verhaltens- und Denkprogramme. Und dafür hält mein Symbolon das Mantra vor

Nichts hat Macht über mich. Und alles.

Diesen Satz annehmen, ihn fruchtbar machen, wie geht das? Dreh- und Angelpunkt ist das Verhältnis von mich, Nichts und alles.

Nichts und alles

Zunächst einmal ist es sicher ein rationaler Entschluss, wenn ich mir selbst die eigene Programmierung, z.B. in Sachen Gelderwerb, unterstelle: Mir fallen sicher einige Beispiele ein, in denen sie sich deutlich gezeigt hat und alles in allem ist es einfach sehr wahrscheinlich, dass ich mein Verhalten automatisch an diese durchmonetarisierte Welt anpasse. Vielleicht ahne ich einen ähnlichen Sachverhalt in anderen Punkten, vielleicht ärgere ich mich über bestimmte eingefleischte Verhaltensweisen von mir, die ich einfach nicht loswerden kann, über ritualisierte Konflikte mit anderen Leuten, die offensichtlich kontraproduktiv sind, aber immer wieder nach demselben Schema ablaufen.

Der nächste und entscheidende Schritt ist ein innerer Sprung, das Lösen von all diesen Einzelheiten und das Erfassen der Ganzheit dieser Mechanismen, die mir selbst gegenüber stehen und mich steuern. Gemeinsam ist ihnen allen eben dies, dass sie mich steuern und das heißt gleichzeitig, dass sie nicht ich sind (es gibt da etwas, das sie steuern und das deshalb verschieden sein muss von ihnen).

So beginnt es

Und das ist der Clou: Wie entkomme ich aus der Falle, diesem Ich, diesem Nicht-Programm nachspüren zu wollen und mich dabei wieder in alle möglichen vorgegebenen Muster zu verwickeln? Indem ich weiß, dass all diese Programme, das ganze große Geflecht eigentlich Nichts ist, eigentlich keine Macht hat, kein Gewicht, keinen Anspruch, mich zu steuern, und dass demgegenüber dieses Ich ebenfalls nichts ist, weil es sich sonst dieses Steuerung nicht unterwerfen würde.

Alles kann Macht über mich haben, eben weil Nichts Macht über mich hat. Nur dieses eine bleibt mir zu Beginn: Zu erkennen, zu fühlen, dass da dieses Nichts da ist, über das Macht ausgeübt wird. Und das in diesem Augenblick aus nichts besteht als aus dieser Erkenntnis, ein Schatten zwischen den Werken und dem Gepränge, die sich meines Inneren bemächtigt haben aber: Immerhin ein Schatten.

So beginnt es. Der oberste Punkt des Symbolons, der Einstieg.

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