Mrz 312012
 

Basisdiskurs Religion VI

Erst mal sorry: Ich habe mit meinem Basisdiskurs Religion eine längere Pause gemacht. Das hatte auch damit zu tun, dass ich ein neues Buch angefangen habe und mich in meiner knappen Freizeit erst einmal darauf konzentriert habe. Eigentlich warte ich immer noch darauf, dass die Piratenpartei ein Modell entwickelt, wie der Betreiber eines unglaublich hochwertigen Blogs (also ich) auch von dieser Tätigkeit leben kann; Bücher soll sich ja jeder frei herunterladen können. Nun denn, zurück zum Thema Religion und zur Fortsetzung meines letzten Posts.

Wie ging es also weiter mit den großen Pyramiden, also den umfassenden gesellschaftlichen Sinnsystemen, meist mit einem Gottkönig an der Spitze? Einige davon überlebten noch lange, z.B. in Ägypten, wo die geographische Lage und die regelmäßigen Überschwemmungen des Nils ungewöhnlich stabile Verhältnisse förderten. Allgemein fand aber in der sogenannten Achsenzeit (ca. 500 v. Chr.) ein gewaltiger geistiger Umbruch statt, von China bis in den östlichen Mittelmeerraum.

 Die Achsenzeit

Dieser Ausdruck wurde vom Philosphen Jaspers geprägt, er meinte damit eine Periode, in der in relativ kurzer Zeit die technologischen und vor allem geistigen Grundlagen unserer Zeit gelegt wurden. Obwohl man solch großen Konzeptionen mit einer gewissen Skepsis begegnen sollte, trifft sie hier zu, insbesondere, was die Geistesgeschichte angeht: Konfuzius, Buddha, Zarathustra, Deuterojesaias, die daoistischen und griechischen Philosophen, es sind wegweisende Denker, die um diese Zeit ans Licht treten.

Ihre Überlegungen kreisen um ganz verschiedene Themen und sie geben ganz verschiedene Antworten auf ganz unterschiedliche Probleme. Man kann also nicht sagen, dass sich alles auf eine ganz bestimmte Antwort hinbewegt hätte, auch nicht das es eine einzige Frage gegeben hätte. Aber ganz eindeutig waren plötzlich viele Fragen aufgetaucht, irgendwo war die alte, umfassende Sicherheit und Fraglosigkeit des Lebens in den großen Pyramiden zerstört worden, und zwar über Kontinente hinweg.

Was diese große Erschütterung ausgelöst hatte, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Ich persönlich halte an der umstrittenen These fest, dass es mit der breiten Einführung des Eisen­s zu tun hatte. And dieser These halte ich übrigens vor allem deshalb fest, weil ich da selbst darauf gekommen bin.

Neues Metall, neue Fragen

Die zuvor verwendete Bronze braucht teure Rohstoffe, die über weite Handelswege kommen. Deshalb waren nur stabile und reiche Kulturen im Besitz solcher Werkzeuge und insbesondere Waffen.

Eisen dagegen gibt es überall. Und um die Achsenzeit herum war das Wissen um seine Verarbeitung vermutlich allgemein, d.h. das Wissen, wie man durch Schmieden den hohen Kohleanteil aus dem Roheisen herausbekam und den darin verbleibenden Rest in eine kristalline Struktur brachte. Sobald nun all die bisherigen Randvölker plötzlich über brauchbare Waffen verfügten, gab es da ein Problem. Oder vielmehr viele Probleme, die die alten Hochkulturen, die großen Pyramiden, gewaltig unter Druck setzten.

Die alten Selbstverständlichkeiten bröckelten unter diesem Druck ab. Und die Frage lautete nun: Was sollte an ihre Stelle treten? Und diese Frage wiederum ließ sich auf die nächste zurückführen: Was braucht der Mensch? Und dies ruft die letzte, tiefste Frage hervor: Was ist die Natur des Menschen? Denn daraus leiten sich seine Bedürfnisse ab.

Wenn man die Vielfalt der Denksysteme betrachtet, die die Achsenzeit hervorgebracht hat, dann kann man dies, je nach Einstellung, als Beispiel für die Kreativität des menschlichen Geistes oder als Beweis dafür, dass Philosophen und Religiöse sowieso zweckfrei vor sich hin spinnen und deshalb natürlich ein Sammelsurium von beliebigem Blödsinn produzieren, wenn sie einmal losgelassen sind.

Wer heilt, hat recht

Für mich ist es ein Beweis für die Vielgestaltigkeit des Menschen, der sich eben nicht auf einen Nenner bringen lässt. Vielmehr gibt es ganz verschiedene, jeweils für sich plausible Antworten auf die Fragenkette:

  • Was ist die Natur des Menschen und demgemäß,
  • was sind seine Bedürfnisse und demgemäß,
  • was fehlt ihm (nach dem Zusammenbruch der großen Pyramiden)?

Antworten auf diese Fragen werden immer auch eine Art Therapie sein, ein Ausgleich des Defizits, das der Zusammenbruch der großen Pyramiden beim Menschen hinterlassen hat. Diese Antworten können ganz unterschiedlich sein und trotzdem, jede für sich, unter gewissen Umständen wirksam. So gibt es ja auch für Krankheiten unterschiedliche Therapien, die sich manchmal sogar widersprechen und trotzdem, jede für sich, zur Heilung führen können, der medizinische Grundsatz lautet hier einfach: Wer heilt, hat Recht.

Konfuzius

Die erste dieser großen Antworten, die ich hier besprechen will, ist die des Konfuzius. Und zwar deswegen, weil ihr Grundsatz so einfach und situationsbezogen ist. Konfuzius lebte in einem China, das in einander bekriegende Kleinstaaten zerfallen war mit dementsprechend unsicheren sozialen Verhältnissen. Im Gedächtnis des Volkes waren die vorausgegangenen Zeiten ein goldenes Zeitalter der Ordnung und des gesellschaftlichen Friedens gewesen.

Konfuzius sah den Menschen als ein in erster Linie soziales Lebewesen. Deshalb wird es ihm dann gut gehen, wenn das Gemeinwesen in Ordnung ist: „Wenn du dich selbst ordnen willst, dann ordne zuerst dein Haus. Wenn du dein Haus ordnen willst, dann ordne zuerst den Staat.“

Die Prinzipien der öffentlichen Ordnung, die zuvor selbstverständlich gewesen waren, mussten jetzt systematisch durchdacht, dargestellt und in die Praxis umgesetzt werden. Und in diesen chaotischen Zeiten muss jeder einzelne Mensch durch seine Einstellung und sein Verhalten Keimzelle werden für die große Ordnung. Es gilt: „Zu den Pflichten stehen, die man gegenüber dem Volke hat, die Geister verehren, aber nicht darin aufgehen – das kann man Weisheit nennen.“

Die Rolle von „Religion“

Ich habe diesen letzteren Satz in Wikipedia nachgelesen und dort sind schon die Worte hervorgehoben „aber nicht darin aufgehen“. Was wir Religion nennen (Ahnen- und Götterverehrung) sind für Konfuzius extrem wichtig, aber nicht als Selbstzweck. Vielmehr ist sie eine wesentliche Voraussetzung für soziale Stabilität. Die großen Bauern­aufstände in China waren meist von magisch-religiösen Ideen befeuert. Für Konfuzius wäre ein solcher Glaube einfach eine abscheuliche Perversion der wahren Bestimmung jeder „Religion“ gewesen. Sie besteht eben darin, der gesellschaftlichen Ordnung eine Art spirituellen oder transzendenten Rahmen zu geben, ohne sich dabei in der Vordergrund zu spielen.

Gehört der Konfuzianismus also überhaupt in diesen Basisdiskurs Religion? Ich meine ja. Er liefert eine umfassende und tiefe Orientierung für das Leben des Menschen, zeigt ihm seinen Platz in der Welt und die richtige Art zu Handeln. Ausführlichere Überlegungen zu dieser Frage „Ist das nun eine Religion oder eine Philosophie?“ werde ich am Ende des nächsten Posts zum Thema Buddhismus anstellen.

Der nächste Post des Basisdiskurses trägt den Arbeitstitel „Weltreligionen: Buddha„. Wenn Sie bei seinem Erscheinen benachrichtigt werden wollen, dann holen Sie sich in der rechten Spalte den RSS-Feed oder abonnieren Sie den Newsletter.

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